Mentale Stärke - Aksel Lund Svindal

Größer als ich durch mentale Stärke

Wien, Österreich, Dienstag 27. November 2007

Ich sitze in der APA (Austria Presse Agentur) und habe gerade meinen Nachtdienst begonnen. Nachdem nichts los ist, switche ich zu den norwegischen Online-Medien, um mein Norwegisch fit zu halten. Und da war es. Ein Bild, das, als ich es vorgestern wieder gesehen habe, genau diesen Moment in mir wach ruft, als sei es gestern gewesen.
Es ist der norwegische Skirennläufer Aksel Lund Svindal, der nach seinem kapitalen Trainingssturz für die Abfahrt von Beaver Creek auf der Piste erstversorgt wird. Den norwegischen Medien war noch nicht viel zu entnehmen, dass es offenbar ziemlich schlimm war, war sowohl dem Bild als auch der kurzen Meldung nach zu ahnen. Ich saß schockiert vor dem Computer und mein Kollege aus der Außenpolitik ebenso. Vielleicht sage ich dazu, dass ich immer schon ein Faible für die norwegischen Skifahrer hatte, aufgrund ihrer enormen mentalen Stärke, wenn ich auch an Lasse Kjus und Kjetil André Aamodt zurückdenke.

Er (Aamodt) hatte eine mentale Stärke aufgebaut, die es ihm ermöglichte, vom Start an so fokussiert zu sein, dass nichts ihn vom Ziel ablenken konnte. Ich begriff, dass es hier für mich etwas zu lernen gab.“ (Auszug aus Größer als ich)

Wien, Österreich, Freitag 5. Dezember 2008

Ich sitze wieder in der APA und schaue die Weltcup-Abfahrt von Beaver Creek live im TV. Aksel Lund Svindal fährt die schnellste Zeit und steht am Ende des Rennens ganz oben auf dem Podest. Viele würden sagen das grenzt an ein Wunder. Nach einem Jahr und dieser schweren Verletzung mit knapp zwei Wochen auf der Intensivstation fährt er auf der gleichen Piste, die ihn zu Sturz gebracht hat, ganz nach vorne.
Hinter das „Wunder“ geblickt, zeigen sich klare Schritte auf dem Weg zurück, die Svindal in seiner Autobiografie Größer als ich nachvollziehbar beschreibt.

  • von vorne anfangen
  • einen Plan machen
  • das große Ziel in kleine Ziele zerlegen
  • im Hier und Jetzt den Fokus auf ein kleines Ziel nach dem anderen legen und abarbeiten
  • visualisieren (in Gedanken die Situationen durchgehen)
  • schauen woher die Angst kommt und sie auflösen

Dein neuer Alltag ist nicht, Weltcuprennen zu fahren, sondern an Krücken zu gehen.

Über die Jahre hin habe ich ein paar Dinge darüber gelernt, wie man zurückkommt. Am Anfang musst du eine Sache nach der anderen angehen. […] Aber zu einem bestimmten Zeitpunkt musst du es wagen, einen größeren Schritt zu tun, der Angst zu trotzen und das Risiko einzugehen, […] (Auszug aus Größer als ich)

Svindal hat während seiner Karriere, wie viele andere Spitzensportler auch, die grundlegenden Techniken des Mentaltrainings angewandt und sich so immer wieder über seine Grenzen hinaus gepusht und war dazu in der Lage, im richtigen Moment seine Leistung in vollem Umfang abzurufen. Dies bedarf Disziplin, Wollen und das richtige Maß an Spannung und Entspannung.

Er liebt das Skifahren sein ganzes Leben lang und wusste, was er erreichen wollte und was er dafür tun durfte. Er hat ganz klare Pläne erstellt und diese durchgeführt. Dies beschreibt er mit klaren Worten in seinem Buch.

Simen [sein Bruder] und ich fuhren nicht Ski, um gut zu werden, sondern weil wir es liebten. […] Doch für uns war es kein bewusstes Training. Wir fuhren Slalom, weil es eine coole Herausforderung war. […] Ich trainierte ständig. Es war ganz natürlich für mich, nichts, worüber ich mir Gedanken machte, und ich hatte nie das Gefühl, etwas zu opfern. (Auszug aus Größer als ich)

Svindals Erfolgsgeschichte zeigt eindrucksvoll was möglich ist, wenn die eigene Passion verbunden wird mit Mentaltraining und Disziplin. Grenzen verschwinden und „Wunder“ geschehen.

Größer als ich ist sowohl für den Skifan ein wunderbares Buch, um an der Erfolgsgeschichte eines der erfolgreichsten Skiathleten der Gegenwart teilzuhaben und um einen kleinen Einblick in den Weltcup-Zirkus zu bekommen. Ebenso ist es ein Mutmacher, an seine eigenen Grenzen zu gehen, die eigene Komfortzone zu verlassen und seine Ziele zu verwirklichen.